Einer zog aus
Porträt des Maffay-Schlagzeugers Bertram Engel aus Burgsteinfurt
(Westfälische Nachrichten, Wochenendbeilage Panorama, 7. Dezember 1996)
Der Weg von der Garderobe der Band zum Catering-Raum der Peter-Maffay-Crew im Backstage-Bereich der Düsseldorfer Philipshalle ist lang. Eigentlich nur ein paar Schritte durch einen schmalen Gang, aber Bertram Engel hat Geburtstag. Mittwoch, 27. November 1996: Der prominenteste Schlagzeuger der Nation wird 39. Da gratulieren die Kollegen, schütteln seine Hand, schenken Kleinigkeiten. Das freut - und hält auf. In der engen, ebenfalls provisorischen Tourkantine angekommen, setzt sich der Große Blonde mit dem Zopf auf einen der so unbequemen Plastikstühle und erzählt. Eine Geschichte von einem Kind aus Burgsteinfurt, das auszog, um ein trommelnder Star in der bundesdeutschen Rockszene zu werden.
Die Geschichte begann vor 32, eigentlich 33 Jahren in Burgsteinfurt. Mit sechs Jahren begann der kleine Bertram Passmann, wie er damals noch hieß, mit dem
Klavierunterricht. Ein Jahr später trommelte er auf Papas alter Trommel die Platten von Bruder Thomas mit. Der erkannte das Talent von Bertram und wurde zum Wegbereiter einer steilen Karriere. Bertram begann in einer Band, als er zwölf war.
Andere Geschichte, Anfang der 70er. Udo Lindenberg macht seine ersten Gehversuche in Hamburg. Im August 1973 gründet er das inzwischen legendäre Panik-Orchester und probt zunächst einmal in Münsters Jovel, dem Domizil von Bassist Steffi Stephan. Bertram war gerade 14, sein Bruder kannte Steffi und stellte den kleinen Trommler vor. Bertram trommelte Udos „Jonny Controlletti“, so ganz wie auf Platte. Udo war begeistert und versprach, sich zu erinnern, wenn er mal einen Schlagzeuger brauche. Denn zunächst hieß der Paniktrommler Backi Backhausen.
Lange passierte nichts. Bertram verwarf den Gedanken, Abi zu machen, denn er wollte Musiker werden, und das geht auch ohne. Also begann er, in Münster Klavier und Schlagzeug zu studieren. Und als er eines nachmittags in einem münsterischen Plattenladen seinen Nachmittag verbrachte, wie er es eigentlich immer tat, klingelte das Telefon. Udo Lindenberg war dran, fragte nach Bertram und engagierte ihn sofort als Trommler für die drei Wochen später beginnende Tour. Erster Gig: Olympiahalle, München. Alles klar. Dann ging alles ganz schnell. 1977 sah Maffay die Band und engagierte Bertram.
Heute ist Bertram Engel nicht nur fester Trommler bei Maffay und Mitglied im zur gefeierten Revival-Tour reformiertem Panik-Orchester, sondern auch Songwriter im Duett mit Gitarrist Carl Carlton. „Aber das ist in den letzten zwei Jahren weniger geworden. Ich komme nicht mehr dazu.“ Das tut ihm leid, aber immer wieder fallen neue Sachen an: Eine (vorrübergehende) eigene Band (New Legend), Dylan-Exkursion in Wolfgang Niedeckens „Leopardefell“-Combo, vieles mehr.
Zurück nach Düsseldorf, Soundcheck in der Philipshalle. Peter Maffay ist der Chef, wer nicht pariert wird mitunter rüde angefahren. Konzentriertes Arbeiten ist gefordert. Bertram sitzt auf einem runden Podest in der Mitte der Zentralbühne, singt mit beim Trommeln: „Ich habe schon immer die Backing-Vocals gemacht. Singen und Trommeln sind eine Einheit für mich.“ Und wie charakterisiert er sein Spiel? „Dadurch, daß ich schon früh Klavier gespielt habe, habe ich schon immer den Song gesehen. Ich sehe mich als den Rhythmus-Keeper, der den Song bedient. Ich steh’ auch nicht so auf Schlagzeug-Soli, obwohl ich eigentlich ja ein sehr extrovertierter Typ bin.“
Das gefällt auch international. Nicht nur dem australischen Superstar Jimmy Barnes, dessen aktuellen Nummer-Eins-Hit Bertram mitproduziert hat. Auch mit Robert Palmer werkelt der Burgsteinfurter, der nun in Köln wohnt, an einem Album. Und nie vergessen wird er - so scheint’s - den Auftritt mit Bruce Springsteen im vergangenen Jahr in Berlin: „Springsteen ist Erste Liga. Es war eine große Erfahrung zu merken, daß ich da mithalten kann.“
Im Konzert vor wiedermal ausverkaufter Halle schlägt Bertram (sich) gut. Ein paar tausend Kehlen singen an diesem Abend ein „Happy Birthday“, und Bertram spielt umso lieber seine Solo-Einlage, „Dying to live“. Schon lange hält er es so, selbst ein Lied in der Show zu singen. Abend für Abend begeistert er damit, und die Leute stellen immer wieder die große Frage: Gibt es mal ein Album von Bertram Engel? „Würde ich gerne machen, wenn ich Zeit hätte.“ Ein weiteres Problem sieht er: „Man ist und bleibt der Trommler von Maffay.“ Auszeichnung auf der einen Seite, Handicap auf der anderen: Wer etwas von sich hält, hält nichts von Maffay. Den kategorisch zu verreißen gehört leider zum guten Ton.
Internationaler will er werden, sich in neue Richtungen orientieren. „Ich träume noch immer. Ich möchte einmal im Madison Square Garden spielen.“ Auch wenn er eins merke: „Mit 39 ist man schon etwas gesettleter. Da hat man nicht mehr so das Verlangen, alles hinzuschmeißen und etwas Neues zu beginnen.“ Letztlich müsse man auch an ein geregeltes Einkommen denken.
Im kommenden Jahr jedenfalls steht zunächst der zweite Teil der Lindenberg-Revival-Tour auf dem Programm, dann weitere Arbeiten mit Jimmy Barnes in Australien, und das Palmer-Album muß fertigwerden.
Schon bei der letzten akustischen Zugabe des Konzerts kann „Bert“ sich frischmachen, ein paar Verwandte begrüßen. Dann steigt im Hotel die Geburtstagsparty - für den prominentesten Schlagzeuger der Nation. Gunnar A. Pier