Diese Bilder sind sehr wichtig“

Peter Maffay veröffentlicht ein neues Tabaluga-Album und erklärt den Unterschied zur Rock-Scheibe

Tutzing. Peter Maffay schaut sich um. „Es ist warm hier.“ Er steht auf und öffnet eine Tür des Wintergartens in Tutzing. In dem kleinen Ort am südwestlichen Ende des Münchener S-Bahn-Netzes sitzt die Schaltzentrale der Welt von Peter Maffay. Ein Zweckbau am Hang mit verwinkelten Büros und vielen Studios. „Möchtest Du einen Kaffee?“ Peter Maffay setzt sich wieder an den großen Tisch mit Tassen und Salzstangen. Er ist gut gelaunt an diesem Septembertag. Das nächste Album, die vierte Geschichte um den kleinen Drachen Tabaluga, ist fertig. Im Gespräch mit unserem Redakteur Gunnar A. Pier erklärt er, wie es dazu kam.
Peter Maffay am 15. Juni 2002 im Essener Grugapark - Foto: gap

Frage: Das vierte „Tabaluga“-Album ist fertig. War es für Sie umstritten, ob Sie überhaupt wieder eine Tabaluga-Platte machen?

Maffay: Nein. Dieses Thema ist für uns immer einen schönen Ausflug wert. Aber den genießt man erst, wenn man sich den richtigen Platz aussucht und die richtige Zeit. Man könnte Tabaluga jedes zweite Jahr auflegen. Es gibt zum Beispiel diese Sendungen im ZDF, die laufen jede Woche. Das, was wir machen, sind grundlegendere Impulse, und die sollte man nicht in allzu schneller Reihenfolge erzeugen. Es muss genug Lust vorhanden sein, um sich dieser Thematik anzunehmen. Wenn man das als Pflichterfüllung sieht, muss man die Finger davon lassen, dann bringt das nichts.

Frage: Was hat sich seit dem letzten Tabaluga-Projekt geändert?

Maffay: In acht Jahren kann sich draußen eine Menge getan haben, das Verhalten der Leute kann sich ein bisschen geändert haben. Ich sage „ein bisschen“, weil ich nicht glaube, dass es sich maßgeblich verändert hat. Die Art, Musik zu machen, entspricht unseren menschlichen Strukturen genau so wie früher. Die Grundempfindungen sind nach wie vor die selben, aber die Technologie ist voran geschritten, der Anspruch ist gestiegen.

Frage: Eins hat sich auf jeden Fall geändert: Tabaluga hat ein gewisses Eigenleben auch außerhalb dieses Hauses entwickelt.

Maffay: Okay, perfekt, das hat sich geändert.

Frage: Können Sie sich vorstellen, dass es inzwischen Leute gibt, die Tabaluga mögen, aber Peter Maffay gar nicht kennen?

Maffay: Das kann ich mir nicht nur vorstellen, das erlebe ich.

Frage: Ärgerlich?

Maffay: Nein. Das ist eine ganz normale Entwicklung. Wenn ich jetzt ins Gras beißen würde, warum auch immer, würde jeden Samstag im ZDF diese Sendung weiter laufen. Den Knopf, der Sonntagvormittag Fernseh gucken darf, interessiert es nicht die Bohne, wer ich bin. Ich fand es immer sehr reizvoll, mir vorzustellen, dass dieses Thema so viel Eigendynamik besitzt. Aber für viele ist das auch eine Personalunion: Tabaluga ist Maffay. Wir schreiben Tabaluga im Team, aber mein Name steht nunmal auf den Plakaten.

Frage: Nach den Themen Vernunft und Liebe klingt es schlüssig, dass das Glück an der Reihe ist.

Maffay: Es ist witzig, dass Sie das so empfinden.

Frage: Ich habe es gelesen und gedacht: Das Thema Glück liegt ja auf der Hand. Wahrscheinlich wäre es mir bei vielen anderen Themen auch so ergangen.

Maffay: Helme Heine ist der entscheidende Antrieb gewesen. Er will immer sehr einfache Begriffe hernehmen, um sich damit auseinander zu setzen: Liebe, Feuer, Glück, Hunger, Trauer. Diese Stichworte hätten statt Glück stehen können. Deswegen sind solche Geschichten so grundsätzlich. Er sagt, und da stimme ich ihm zu, dass die Themen jeden betreffen müssen, ob Kinder oder Erwachsene. Und Glück ist ein Begriff, den wir alle in unserer Nähe haben. Entweder, weil wir uns das Glück wünschen, oder weil wir es haben, oder weil wir es verloren haben, oder weil wir es nicht finden. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Begriff in der heutigen Gesellschaft ein ganz wichtiger philosophischer Eckwert ist. Wenn man anfängt, über Glück nachzudenken und über die Dimension eines Sparschweins hinaus kommt, kann man viele interessante Aspekte entdecken.

Frage: Wie ist die Geschichte entstanden?

Maffay: Die Geschichte, die ich entwickelt hatte, war viel zu kompliziert. Helme und Gregor haben sie sich angehört und dann ganz höflich gefragt: dürfen wir Dir einen Gegenvorschlag unterbreiten? Ich habe gesagt: selbstverständlich. Sie haben die Geschichte vorgelesen, und das war evident, viel einfacher, grundsätzlicher. Das Wort ,schlüssig‘ ist mir da auch leicht von den Lippen gegangen, und ich habe gesagt: Let’s do it.

Frage: Wenn die Geschichte steht, kommt die Musik. Die typische Schülerband von nebenan setzt sich in den Probenraum und spielt so lange, bis ein Lied entsteht. Wie machen das die Profis?

Maffay: Genau so. Auch wir gehen in einen Raum, bauen unsere Geräte auf. Meistens entstehen kleine Gruppen, die zusammen arbeiten und Songs zu den Themen der Platte entwickeln. Diese Gruppen tragen ihre Ergebnisse vor, und dann wird das ausgetauscht. Wir entscheiden gemeinsam, ob ein Song zu dem zugeordneten Inhalt passt. Das beste Angebot macht das Rennen.

Frage: Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie eine Tabaluga-Platte machen oder ein normales Rock-Album?

Maffay: Naja, es gibt Alben, auf denen ich mich selber verstärkt wiederfinden will, auch als Autor. Und es gibt Alben, bei denen das absolut nicht der Fall sein muss. Dazu gehört Tabaluga. Es ist sogar erwünscht, dass die Vielschichtigkeit groß ist, deshalb gibt es da auch keine stilistischen Limits. Ein Schwein muss klingen wie ein Schwein, der Pechvogel muss klingen wie ein Pechvogel. Erst die Vielfalt erzeugt die Phantasie, die die Geschichte trägt.

Frage: Wie hätte im Herbst 2002 ein normales Rockalbum geklungen?

Maffay: Wenn es das gegeben hätte, bestünde es aus vielen Elementen, die ich in den vergangenen zehn Jahren zusammen getragen habe. Es gibt eine Art von Musik, die ich immer wieder geschrieben habe. Ich habe mich nur nicht getraut, sie zu veröffentlichen.

Frage: Warum nicht?

Maffay: Weil mir die Zeit fehlte. Es sind immer andere Dinge dazwischen gekommen, die uns auch sehr wichtig erschienen, wie „Begegnungen“. Aber nun werde ich mich hinsetzen und diese Ideen ausarbeiten. Es sind keine großen Erfindungen von mir, sondern eine relativ starke Verdichtung auf das, was mir musikalisch wirklich wichtig scheint und manchmal neben meiner musikalischen Form liegt. Das war mir bisher immer ein zu heißes Eisen. Das wird bedeuten, dass ich das Gefüge der Band stark reduziere und das Album nur mit zwei oder drei Leuten einspiele, wenn überhaupt. Das sind Sound-Geschichten, die ich im Laufe der Zeit für mich entwickelt habe. Ich möchte extremer werden.

Frage: Extremer heißt: elektronischer?

Maffay: Auch. Aber das ist nicht das Kriterium. Es ist schwer, Musik zu verbalisieren. Sie müssten zwei Demos hören, dann wüssten Sie, was ich meine.

Frage: Wenn Sie Musik schreiben: Denken Sie schon daran, wie sie live wirkt?

Maffay: Ja.

Frage: Als ich eben den „Bienen“-Song gehört habe, hatte ich schon ein Bild vor Augen.

Maffay: Diese Bilder sind sehr wichtig. Das ist lautmalerisch. Gerade vor dem Hintergrund der Aufführungen vor sieben Jahren sind wir gar nicht mehr befreit davon. Als Berte (Schlagzeuger Bertram Engel, d. Red.) den Song vom „Spiegel“ vorstellte, habe ich sofort gesagt: Alles klar, ich weiß schon, wie das auf der Bühne aussehen könnte. Jetzt haben wir das Skript für die Bühnenfassung fertig, und genau dieses Bild haben wir jetzt ausgearbeitet.

Der vierte Streich

Der Drache „Tabaluga“ entdeckt das Glück

Lustige Gitarren laden zum Geburtstag. Tabaluga wird 700 Jahre alt, das ist für Drachen bekanntlich nicht viel. Er bekommt allerlei Tinnef, freut sich natürlich, auch wenn der böse Arktos ungeladen vorbei kommt. Ein lustiges Fest, und die Geschichte beginnt.

Zum vierten Mal ist der grüne Drache, den Peter Maffay, Kinderbuchautor Helme Heine und Gregor Rottschalk 1983 erfanden, auf der Suche nach den Fundamenten des Lebens. Diesmal erfährt er, was Glück ist. Er verschenkt nach und nach seine Geschenke, und die Beschenkten helfen ihm am Ende. Moral: „Nur wenn du frei heraus verschenkst, was dir selber wertvoll wär’, doch ein andrer braucht es mehr, und dabei nicht an Vorteil denkst, bist du deinem Glück schon nah.“

Die Geschichte ist schlüssig, leicht zu verstehen. Die Gedanken der Figuren sind nicht neu, aber leider längst nicht mehr selbstverständlich. Für Kinder und Große.

Musikalisch ist die Vielfalt gelungen, die Peter Maffay und seine angestammte Band sich gewünscht haben. Mehr noch als auf den Vorgängeralben illustrieren die Lieder auf musikalische Art die Geschichte. Der Hörer spürt den Bach fließen, den Pechvogel lamentieren, Arktos wüten. „Freunde“ ist eine erstklassige Ballade. Und wer die Geschichte satt hat, kann die Musik dennoch weiter hören: Die Lieder funktionieren auch für sich. -gap-