Warum verstehen so viele Menschen Peter Maffay nicht?
Der kleine Mann hat dunke Augen und einen stechenden Blick. Wird er gefragt, hört er aufmerksam zu und antwortet konzentriert, sachlich, ernst. Kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig. Der kleine Mann wittert, ob Feind oder Freund fragt. Wer ihn provoziert, sollte gut vorbereitet sein. Wer Kritik übt, muss Argumente haben, sonst hält er dem stechenden Blick nicht Stand. So mancher hat eingeschüchtert die Veranstaltung verlassen, weil er sich übernommen hatte. Der kleine Mann hat jahrelang ertragen, dass ihn Menschen verabscheuen, die gar nicht wissen, was er tut. Das hat er satt. Heute darf den kleinen Mann nur der nicht mögen, der ihn kennt. Auf Vorurteile reagiert er allergisch.
Der kleine Mann rockt große Hallen. Peter Maffay hat sich vom Schlagerschnulzisten zum vielleicht wagemutigsten Star der deutschen Rockszene gemausert. Was die Fans würdigen, blieb vielen Medien indes verborgen. Ähnlich wie beispielsweise bei der Kelly Family wird nicht diskutiert, sondern gleich geprügelt. Da wird sein Hit „Du“ als Beweis dafür angeführt, dass er Schlagersänger ist. „Du“ war zweifellos seichtestes Schnulzentum. Aber „Du“ war 1969. Er spiele den Rocker, er sei ein gescheiterter Weltverbesserer, er spiele Radiodudelpop. Die Vorwürfe waren vielfältig. Wenn es positive Töne gab, dann wunderte sich jemand, warum hunderttausende in die Konzerthallen rennen, um sich so etwas Schreckliches anzuschauen.
Dabei hatte sich Maffay und das, was er tut, stetig gewandelt. Fans verfolgten die Wandlung mit. Fans sprangen ab, Fans kamen hinzu. Heute besteht ein Maffay-Konzert aus einer satten Ladung Rock’n’Roll. Zusammen mit einer ausgezeichneten Band, zu der mit Bertram Engel (dr), Jean-Jaques Kravetz (piano) und Carl Carlton (git) einige Mitglieder aus Lindenbergs einstigem Panik-Orchester gehören, schafft der kleine Mann jede Halle. Die Stücke sind pointiert arrangiert, die Musiker technisch ausgezeichnet. In all den Jahren haben sie sich eine Dramaturgie angeeignet, mit der jedes Konzert funktioniert.
Viele wissen das nicht. Daran trägt auch Maffay selbst eine Schuld. Der Star hat eine Bringeschuld. Er muss den Menschen das Wissen darüber aufdrängen, was er tut. Konzerttickets und Alben verkaufen sich erst, wenn die Käufer schon überzeugt sind. Das gelingt hautpsächlich durch Radio und Fernsehen. Doch Maffay schickte jahrelang Singles ins Rennen, die untypisch waren für das, was ihn und seine Konzerte eigentlich ausmacht. „Wie Feuer und Eis“ und „Sorry Lady“ sind radiotauglich. Doch wer meint, so sei Maffay, rennt verstört aus der Konzertarena, wenn die Gitarren losschreien.
Die ersten Versuche, sich als Rockstar zu verkaufen, verliefen kläglich. Wenn Maffay mit bösem Blick auf der Harley posierte, ging der Schuss ob all der Klischees nach hinten los. Mehr Schein als Sein ist niemals gut. Und Maffay ist und bleibt ein schlechter Schauspieler. Er ist nur gut, wenn er ehrlich ist. Mit Nieten-Lederjacke und Rockerposen erntete er Häme in der Öffentlichkeit. Die Fans schauten über die Show hinweg und freuten sich weiterhin über die Musik, die dahinter stand.
Das alles hat sich inzwischen gewandelt. Nach dem ausgezeichneten Album „Kein Weg zu weit“ (1989) veröffentliche Peter Maffay zwei Alben, die zunehmend überproduziert und bemüht nach Pop klangen. „38317“ (1991) und „Freunde + Propheten“ (1992) ließen auch eingefleischte Fans zweifeln. Das „Tabaluga“-Projekt, die aufwendige Live-Produktion seines Rock-Märchens, brachte erstmals Kritikerlob. Zum Höhenflug setzte er mit seinem Album „Maffay 96“ an. Angeführt von seinem Pressechef Michael van Almsick startete der kleine Mann eine selten gesehene PR-Offensive. Er lud die Medienvertreter zu Pressekonferenzen, bat sie in sein Studio, Club-Konzerten und Tournee-Präsentationen. Er drängte ihnen geradezu auf, sich anzuhören und anzuschauen, was er zu bieten hat. Und siehe da: Plötzlich stellten die Kritiker fest, dass Maffay gar nicht so schlecht ist, wenn man ihn sich erstmal anhört. Das Album und die anschließende Tournee wurden nicht zuletzt dadurch ein riesiger Erfolg. Gunnar A. Pier
"Es ist Schwarz-Weiß-Malerei.“ Charakterisierte Peter Maffay sein neues Werk. Das Album „X“ erscheint am kommenden Montag. Es ist eine Platte der Kontraste. Auf der einen Seite gibt es viele harte Klänge und ungemütliche Harmonien. Titel wie „Freier Fall“ und „Keiner kommt hier lebend raus“ strahlen beinahe schon Aggressivität aus. Satte Stromgitarren und ein treibendes Schlagzeug machen diese Nummern tauglich für den Soundtrack jeder Formel-Eins-Doku. Dem stehen viele ausgefeilte Balladen gegenüber. Doch die sind nicht so seicht wie einst „Sorry Lady“.
Für Maffays Verhältnisse ungewöhnlich viel Technik sorgt für eine wohlklingende Grundlage, auf der Maffay, als Sänger meist unterstützt von Keyboarder Pascal Kravetz und Trommer Bertram Engel, Geschichten erzählt. Die ausgefeilten Arrangements schaffen eine hohe Intensität. Hinsetzen, laut hören, wegtauchen in die Tiefen dieser Musik. Die Umgebungen, in denen „X“ entstand, bezeichnet Maffay als sehr inspirierend. Die Grundlagen für die Lieder entstanden auf einer heruntergekommenen Finka auf Mallorca. Auf der Liste der Komponisten stehen Namen, die dort sonst selten zu finden sind. Die erste Single „Bis ans Ende der Welt“ schrieb Bassist Ken Taylor. Auch Gitarrist Andreas Becker und die Keyboarder Jean-Jaques und Pascal Kravetz haben Titel beigesteuert.
Die Texte schrieb mit zwei Ausnahmen Lukas Hilbert. Der junge Star ist der Obhut von Udo Lindenberg entwachsen, bei dem er einst Gitarre spielte, und ist Kopf der Hamburger Band Roh. Zusammen mit Maffay singt Lukas das einzige Duett des Albums. „Rette mich“ ist eine angenehme Nummer mit Sprechgesang in den Strophen und mehrstimmigen Refrain. Fertig gestellt wurden die Lieder in den Factory-Studios in Dublin. Die trübe Atmosphäre beeinflusste die Männer um Maffay. Ein schönes Album. -gap-
Bei einer Reihe von Club-Konzerten präsentierten Peter Maffay und Band das neue Album "X" den Fans. Nach dem Auftritt am 18. März 2000 im "Aladin" in Bremen traf Redakteur Gunnar A. Pier den Sänger.
Frage: Wisst Ihr schon bevor Ihr ins Studio geht, wie die Platte nachher klingen soll?
Peter Maffay: Ja. das wissen wir sehr genau.
Frage: Wie ist diese Richtung entstanden?
Peter Maffay: Das ist eine Frage der Lust. Wir wollten sowas machen. Ich mag es ,wenn die Gitarren und das Schlagzeug so klingen. Wir hatten diesmal einen neuen Tonmischer. Das macht unheimlich viel aus. Wir haben viele neue Sachen ausprobiert, und es hat uns gut gefallen.
Frage: Ist es für Dich richtig spannend, mit neuem Material vors Publikum zu treten?
Peter Maffay: Ich glaube, das ist bei allem, was man macht. Man will wissen, wie es ankommt.
Frage: Die Leute kannten die Lieder noch nicht. Ist das ein großer Unterschied für Dich?
Peter Maffay: Es ist ganz anders. Man merkt, dass sie mitsingen möchten, aber sie kennen den Text nicht.
Frage: Herausforderung oder Manko?
Peter Maffay: Es ist ein Spiel.
Frage: Du hast in all den Jahren oft die Musik geändert. Mal mehr Pop, mehr Rock, mal Märchen, mal „Begegnungen“. Hat es Änderungen gegeben, die Du nachher bereut hast?
Peter Maffay: Ich denke, wir machen Musik zunächst einmal für uns selbst. Das wichtigste ist, dass es uns Spaß macht. Nur dann kann ich es auch nach außen vermitteln. Ich habe keine Lust, mit dem Rechenschieber herauszufinden, was dioe Leute hören möchten.
Frage: Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit Lukas Hilbert gekommen?
Peter Maffay: Er ist ein Freund von unserem Keyboarder Pascal Kravetz. Der hat das eingefädelt. Ich mag, was er macht. Die Texte drücken etwas aus, hinter dem ich stehe. Ich kannte ihn aus den Zeiten, als er bei Udo Lindenberg gespielt hat. Aber ich hätte nie gedacht, dass es mal zu solch einer Zusammenarbeit kommt.
Frage: Ihr passt auch gut zueinander, Ihr seid ein amüsantes Paar.
Peter Maffay: Wir haben auch hinter der Bühne viel Spaß zusammen.